Abstrakt
Für die Sicherstellung einer nachhaltigen Musikpflege werden in Deutschland Mittel durch die öffentlichen Haushalte bereitgestellt. Zur Stabilität des Musiklebens tragen weiterhin tarifliche Absicherungen für die Mitglieder von Sinfonieorchestern bei. In größeren Städten werden die kommunalen Mittel für Musikförderung vor allem für diese Klangkörper eingesetzt, die schwerpunktmäßig die großen Orchesterwerke des 19. Jahrhunderts aufführen. Die existenzielle Absicherung von anderen Kulturschaffenden, die sich z. B. der großen Bandbreite früherer Musikepochen oder der musikalischen Vielfalt des 20./21. Jahrhunderts inklusive des Jazz widmen, spielt in der Kulturpolitik eine untergeordnete Rolle. Ein wichtiger historischer Meilenstein für die Entwicklung dieses kulturpolitischen Profils ist in der Etablierung des deutschen ‚Kulturorchestersystems‘ zu suchen, welches seit 1938 kontinuierlich ausgebaut wurde.
In diesem Beitrag wird die Begriffsgeschichte des ‚Kulturorchesters‘ skizziert. Dieser Abgrenzungsbegriff wurde während der Amtszeit des Präsidenten der Reichsmusikkammer, Peter Raabe, zum rechtlichen Terminus erhoben. Der Ausdruck impliziert den damaligen Kulturbegriff, insbesondere die musikideologischen Anschauungen Raabes. Angesichts dieses historischen Befundes kommt die Studie zu dem Ergebnis, der Begriff des ‚Kulturorchesters‘ sei nicht mehr tragbar. Die Analyse führt zwangsläufig auch zu der Fragestellung, warum nach 1945 eine grundsätzliche Kurskorrektur in der Verteilung öffentlicher Mittel zugunsten der Förderung von musikalischer Vielfalt ausblieb.
Abstract
In Germany there is a long tradition of public funding of musical culture. Further support is given by collective agreements for the members of symphony orchestras. In larger cities, municipal funds for music promotion are mainly used for those orchestras who emphasize the performance of major orchestral works of the 19th century. The existential security of other artists plays a minor role in the concept of cultural policy, for example, musicians who specialize in a wide range of earlier musical eras or are focused on the musical diversity of the 20th/21st century, including jazz. An important historical milestone for the development of the German cultural profile was the establishment of the ‘Kulturorchestersystem’, which has been continually expanded since 1938.
In this paper the history of the expression ‘Kulturorchester’ is outlined. The term implies the former concept of culture, especially the ideological beliefs of Peter Raabe, who was President of the Nazi institution ‘Reichsmusikkammer’. In Raabe’s tenure this term was raised to a legal concept. Given these historical findings, the study concludes that the use of the legal Nazi term ‘Kulturorchester’ is no longer acceptable. The analysis leads inevitably to the question of why after 1945 the policy has failed to enforce a fundamental course correction in the distribution of public funds for the development of musical diversity.