Forschungsprojekte

Wie arbeiten Künstler im 21. Jahrhundert?

Kooperationsmodelle, Studiopraxis und Wissensproduktion im Kunstfeld

Vom 01. Juli 2008 bis 01. Juli 2017

Prof. Dr. phil. Karen van den Berg / Dr. Ursula Pasero / Ulrike Shepherd / Prof. Dr. Ulf Wuggenig, Leuphana Universität Lüneburg / Prof. Dr. Beatrice von Bismarck, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig

Förderung
  • Kunststiftung Baden-Württemberg

Das Projekt untersucht Organisationsformen, Professionalisierungsmuster und Entscheidungsstrukturen im gegenwärtigen Kunstfeld. Im Fokus stehen die Entwicklung der heutigen Studiopraxis, der Umbau des Ausbildungssystems und die Bedeutung des Marktes. Dabei werden kunstsoziologische und kunstwissenschaftliche Perspektiven in einen produktiven Zusammenhang gebracht und an historische Untersuchungen angeschlossen.
Der Diskurs zur künstlerischen Arbeit wird derzeit vor allem von der Kreativitätsdebatte dominiert. Dabei zeichnen sich widerstreitende Positionen ab: Einerseits lässt sich feststellen, dass der Mythos vom genialen Künstler längst entzaubert ist. In den 1990er Jahren fand eine Dekonstruktion der Avantgarde- und Vorreiterposition von Künstlern statt – nicht zuletzt, um künstlerische Praxis näher ans alltägliche Leben zu rücken. Es waren nicht selten Künstler selbst, die darauf bestanden, künstlerisches Schaffen als eine Produktionsform unter anderen zu etablieren und den emphatischen Werk- und Schöpferbegriff beiseite zu räumen. Andererseits wird ‘der Künstler‘ durch die ihm zugeschriebene Freiheit und Kreativität immer noch als prototypisch für die viel beschworene „creative class“ (Florida) gehandelt. Mehr noch: Es sind vor allem künstlerische Strategien, denen bei der Entwicklung innovativer Arbeitsformen und neuer Ökonomien eine besondere Innovationskompetenz zugetraut wird (Boltanski/Chiapello). Damit findet vielfach eine Vereinnahmung des Eigensinns künstlerischer Arbeit statt. Mit der Rede vom allgegenwärtigen Kreativitätspostulat wird häufig auch der Unterschied zwischen Arbeit im ökonomischen Feld und künstlerischen Praktiken nivelliert.
Das hier umrissene Forschungsprojekt will dagegen zeigen, welche neuen Formen künstlerischen Arbeitens das expandierende Kunstfeld hervorgebracht hat, und dass eine solche Ausweitung nicht mit einer Entgrenzung gleichzusetzen ist. Die Rede von der Entgrenzung übersieht die kunstfeldimmanenten Kräfte und Anstrengungen, eben diese Grenzen zu thematisieren und zu markieren. Das hier skizzierte Projekt fragt deshalb nach Zurechnungsmustern, durch die im Kunstfeld zwischen Kunst und Nichtkunst unterschieden wird. Es gilt, den Blick auf neue Rollenmodelle und Produktionsweisen des sich weiter segmentierenden Kunstfeldes auszurichten. In der heutigen künstlerischen Produktion lässt sich eine Auffächerung in diverse Produktionsformen und Tätigkeitsprofile beobachten, die von traditioneller Malerei und Bildhauerei, social engineering, dokumentarischen Praktiken über artistic research, bis hin zu Annäherungen an industrielle Produktionspraktiken und Design reichen. In dem Projekt wird deshalb nicht nur die derzeitige Arbeit in Studios empirisch untersucht, sondern auch die Arbeit in Projekten und Ausstellungen, die Ausbildung an Kunsthochschulen und die Etablierung von Netzwerken im Kunstfeld. Der Forschungsertrag soll darin bestehen, ein differenziertes Verständnis gegenwärtiger künstlerischer Arbeit zu gewinnen.
Die Untersuchungen folgen dabei unterschiedlichen methodischen Ansätzen: Diese reichen von teilnehmender Beobachtung, die sich an soziologische Laborstudien anlehnt, über Experteninterviews und quantitative Erhebungen bis hin zu diskursanalytischen Verfahren. Das Projekt gliedert sich in folgende Arbeitsschwerpunkte:
1. Studios der Post Studio Ära. Untersuchungen zur Large Scale Production und zur Studiopraxis an der Grenze zur Kulturindustrie
2. Exemplarische Modelle der Kunstarbeit jenseits des Kunstmarktes – Untersuchungen zu nicht marktkonformen Arbeitspraktiken und Netzwerken im Kunstfeld
3. Passage-Riten und Inklusionsmuster im Kunstfeld: Wie wird man KünstlerIn?
4. Epistemologische Untersuchungen zum Künstlerwissen und zu Professionalisierungsmethoden
5. Kunstsoziologische Untersuchungen zum Einflussfaktor Kunstmarkt als Bewertungsinstanz