Forschungsprojekte

Strategische Reaktionen von Museen auf externe Erwartungshaltungen

Am Beispiel des Zertifizierungssystems “Museumsregistrierung” in Niedersachsen und Bremen

Von Mai 2012 bis Dezember 2016

Sebastian Baier (Betreuer: Prof. Horst-Alfred Heinrich, Universität Passau / Prof. Peter Steinbach, Universität Mannheim)

Viele Akteure im Kulturbereich sehen sich gegenwärtig mit einer steigenden Komplexität ihres Arbeitsalltags und der an sie gerichteten Erwartungen konfrontiert. Dieser Prozess verläuft dabei nicht allein quantitativ in Bezug auf eine Erweiterung des Aufgabenspektrums, sondern auch qualitativ hinsichtlich des Spezialisierungsgrades des erforderlichen Fachwissens.

Das erweiterte Erwartungsspektrum und ein unklarer Qualitätsbegriff treffen derzeit auf den Druck zu mehr Transparenz in der Kulturförderung – ein Trend (ablesbar z.B. an Bestrebungen hinsichtlich einer „konzeptbasierten Kulturpolitik“ oder „kriteriengeleiteten Kulturförderung“), der sich angesichts von aktuellen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft eher noch verstärken könnte.

An dieser Stelle entsteht Raum für Akteure, Einrichtungen oder Verfahrensweisen, die Qualität definieren, messen und bescheinigen. Der Blick in die Praxis verrät, dass mit Evaluationen, Weiterbildungsangeboten, Zertifizierungen, Zielvereinbarungen o.ä. in den vergangenen Jahren verschiedene Wege erprobt wurden.

In Niedersachsen und Bremen existiert mit der Museumsregistrierung (in Zukunft: Museumsgütesiegel) bereits seit 2006 ein System – bis dato gibt es in Deutschland kein vergleichbares Vorgehen, das einen solchen Institutionalisierungsgrad (bereits über 100 Teilnehmer) vorweisen kann – für die Definition und Bewertung der Qualität musealer Arbeit. Dabei ist es erklärtes Ziel der drei verantwortlichen Partner (Museumsverband, Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Sparkassenstiftung), nicht nur eine Messung des status quo in den jeweiligen Häusern vorzunehmen, sondern durch die zu erfüllenden Anforderungen, Beratungen und Weiterbildungsseminare auch Impulse zur Verbesserung der Qualität an die Museen zu geben.

Die Museumsregistrierung erscheint im oben beschriebenen Kontext interessant als…

• …ein Verfahren zur Messung von Qualität musealen Arbeitens
• …ein Verfahren zur Verbesserung der Qualität musealen Arbeitens
• …ein Träger und Multiplikator bestimmter Erwartungshaltungen an Museen
• …ein kulturpolitisches Steuerungsinstrument
• …ein Managementinstrument (sowohl hinsichtlich externer als auch interner Aspekte)

Darüber hinaus sollen insbesondere der strategische Umgang der Museen mit einem solchen Zertifizierungssystem und die daraus resultierenden Konsequenzen auf der Ebene der Einrichtungen im Fokus stehen. Die Museen in Niedersachsen und Bremen gelten dabei als…

• …Empfänger verschiedener Erwartungshaltungen von unterschiedlichen
Anspruchsgruppen
• …Akteure mit individuellen Vorstellungen zur Qualität musealen Arbeitens
• …Teilnehmer an der Registrierung mit eigenen Motiven, Zielen und
Umsetzungsstrategien
• …Nicht-Teilnehmer an der Registrierung aus unterschiedlichen Gründen

Das entstehende Dissertationsprojekt verortet sich wissenschaftlich in der noch jungen Tradition einer Kulturbetriebslehre, die entgegen der unmittelbaren Anwendungsorientierung (Best Practices) der Kulturmanagementlehre, zunächst Prozesse und Strukturen beobachten, beschreiben und verstehen möchte um dann mittelbar Gestaltungshinweise für die Praxis in den Kultureinrichtungen ableiten zu können. Ausgehend vom vielschichtigen Charakter kultureller Güter kann die Bearbeitung dieses komplexen und dynamischen Feldes nur interdisziplinär erfolgen und befindet sich an den Schnittstellen von Kultur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften.