Forschungsprojekte

P/ART/ICIPATE – The Matrix of Cultural Production

Künstlerische Interventionen im Spannungsfeld von zeitgenössischer Kunst, kulturellen Managementprozessen und cultural citizenship

Von 2011 bis 2014

Dr. Elke Zobl / Mag. Siglinde Lang

Wenn wir Kultur als Prozess auffassen, in dem Sichtweisen und Einstellungen erzeugt, aufgenommen und in einem öffentlichen Zirkulationsprozess distribuiert werden, dabei aber auch kontinuierlich reproduziert oder – in der Gesellschaft – neu verhandelt werden (Johnson 1983 und 1985; Johnson et al. 2004; Du Gay et. al 1997), folgt, dass Gesellschaften, Gruppen und Einzelpersonen kontinuierlich an diesen Prozessen der kulturellen Produktion beteiligt sind. Zentral in diesem Kreislauf der kulturellen Bedeutungsproduktion ist in der heutigen Mediengesellschaft der Kontext des cultural citizenship (Klaus und Lünenburg 2004a und 2004b). Cultural citizenship „umfasst all jene kulturellen Praktiken, die sich vor dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse entfalten und die kompetente Teilhabe an den symbolischen Ressourcen der Gesellschaft ermöglichen“ (Klaus und Lünenburg 2004: 103). Öffentliche Teilhabe basiert auf der Voraussetzung der „Möglichkeit einer umfassenden Aneignung der Kulturproduktion einer Gesellschaft“ (Klaus und Lünenburg 2004: 108). Es geht daher um Partizipation nicht als „naives Mitbestimmungsparadigma“, sondern um eine „Teilhabe, die Intervention ermöglicht, statt die dominanten Erzählweisen zu reproduzieren und Beteiligung zu simulieren“ (Ziese 2011: 77) bzw. ein „queering“, wie Carmen Mörsch (2007) im Kontext der (zeitgenössischen) Kunstvermittlung argumentiert hat.

Ausgehend von zeitgenössischen Kunststrategien und -praxen, die einen sozialen und kulturellen Wandel zu initiieren versuchen, untersucht das Forschungsprojekt P/ART/ICIPATE, wie wir uns – als Individuen oder auch als soziale Teilgruppe – in einem Kreislauf von Kultur positionieren, der nicht einem „just happens“ (Kultur als kontinuierlich sich – selbst – entwickelnder Prozess und/oder als eine oft von ökonomischen Interessen gesteuerte „Reproduktion“) unterliegt, sondern aktiv mitgestaltet werden kann: Wie können bewusste Eingriffe in den kulturellen Kreislauf vorgenommen werden? Welche Kompetenzen umfasst eine kompetente Teilhabe an den kulturellen Ressourcen der Gesellschaft vor dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse? Wie können diese ermöglicht und gefördert werden? Wie können Prozesse der Beteiligung und eines weit reichenden gesellschaftlichen Engagements initiiert und – in Hinblick auf Nachhaltigkeit und kulturellen Wandel – in ihrer Zirkulation unterstützt werden? Und an welchen spezifischen Knotenpunkten der kulturellen Bedeutungsproduktion bedarf es dieser reflektierten Interventionen und Prozesse der Beteiligung, sodass eine aktive Mitgestaltung auch nachhaltig Kultur gestaltet?

Basis unserer Forschungsarbeit ist, in einem (ersten) Analyseverfahren diese Matrix kultureller Produktionen systematisch und in Hinblick auf die Bedeutung und Rolle kulturell intervenierender zeitgenössischen Kunstproduktionen zu erfassen. Ausgangspunkt bildet die konkrete Analyse und folglich theoretische Weiterentwicklung des „Circuit of Culture“: Im Kontext des cultural citizenship-Diskurses und mit Intention der Generierung eines kulturellen Mehrwerts soll diese Matrix kultureller Produktion systematisch erfasst und modelliert werden. Ziel dieser Modellentwicklung ist, abzubilden, an welchen Schaltstellen kollaborative Methoden sowie partizipative Maßnahmen notwendig sind, damit eine nachhaltige öffentliche Zirkulation und Etablierung einer Werteverschiebung ermöglicht werden kann. Wie diese Instrumentarien angelegt sein müssen, wird in Form einer Toolbox erarbeitet.

Die wichtigsten Ziele dieses Forschungsprojektes sind:
1) Dokumentation und Analyse: Zeitgenössische, künstlerische und kritische Interventionen als (Teil-)Projekte kultureller Produktion an ihren Schnittstellen von Kunst und kultureller Erneuerung zu dokumentieren und zu analysieren.

2) Erzeugung eines theoretischen Modells: Den theoretischen Hintergrund des „Circuit of Culture“ im Kontext zeitgenössischer Kunstproduktion, cultural citizenship, Partizipation, Nachhaltigkeit, Transformation und mittels eines prozess-basierten Kulturmanagementansatzes in Richtung eines komplexen Verständnisses der Matrix kultureller Produktion weiterzuentwickeln.

3) Entwicklung einer Toolbox: Mittels dieses Modells ein Instrumentarium zu entwickeln, das eine anwendungsorientierte Navigation durch die Matrix kultureller Produktionen im Kontext zeitgenössischer Kunstproduktion ermöglicht.

Folgende Forschungsfragen ergeben sich:

  • Welche Formen und Praktiken kultureller Teilhabe eröffnen künstlerische Interventionen und Formationen?
  • Welchen immanenten Prozessen folgt der kulturelle Bedeutungszyklus, sobald dieser unmittelbaren Eingriffen (also kulturellen Interventionen) ausgesetzt ist?
  • Wie gestaltet sich der Prozess einer kulturellen Intervention zu bzw. als kulturelle Produktion?
  • Wie kann dieser Prozess unter dem Aspekt der Inklusion aktiv mitgestaltet werden?
  • Welche Schaltstellen entscheiden über den Verlauf einer initiierten Werteverschiebung?
  • In welchem Verhältnis stehen diese maßgeblichen Schaltstellen zueinander?
  • Wie beeinflussen sie sich gegenseitig bzw. wie interagieren sie untereinander?

Das langfristige Ziel ist es, „Cultural Producern“ Möglichkeiten kultureller Teilhabe im Kontext zeitgenössischer Kunstproduktion sichtbar zu machen und eine selbstbestimmte Navigation – denn in diesem Sinne fassen wir den personalisierten „Cultural Producer“ auf – innerhalb und durch diese strukturelle Matrix zu ermöglichen.

AUFBAU DES FORSCHUNGSPROJEKTES
Prozessphasen sollen auf Basis der Auswertung des Datenmaterials verschiedener Teilbereiche des Forschungsprojekts auf vier Ebenen erfasst und systematisch definiert werden:
(A) Künstlerische Strategien als kulturell intervenierende Kommunikationsstrategien im Kontext einer ‚participatory culture‘ 
Im Kontext einer partizipatorischen Kultur setzt sich Teilprojekt A mit der systematischen Erfassung und Kategorisierung künstlerischer Strategien als kulturell intervenierende Kommunikationsstrategien in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit aber auch aktive Beteiligung von Teilöffentlichkeiten auseinander.

(B) Künstlerische Kollektive & kollaborative Arbeitsprozesse
Zentrale Aufgabe von Teilprojekt B ist, jene Strategien von Kollaboration zu selektieren, die partizipative und nachhaltige Maßnahmen als integrale Bestandteile von Interventionen und die intendierte kulturelle Werteverschiebung als Interpretation auf Basis eines breiten zivilen Engagements verstehen. In enger Referenz zu Teilprojekt A werden Fallstudien und durch qualitative Leitfaden gestützte Interviews eine konkrete Analyse dieser kollaborativen Methoden und Prozesse ermöglichen.

(C) „Art goes Culture“ – Anforderungen an einen kollaborativen und kommunikationsorientierten Produktions- & Managementprozess
Das Teilprojekt C stellt sich daher die Frage, wie sich das (Wechsel-)Verhältnis von zeitgenössischer Kunstproduktion und bzw. zu kultureller Produktion als kommunikativer Produktionsprozess – und somit (auch) als neu zu definierender Kommunikationsmanagementprozess – modellhaft beschreiben lässt, speziell wenn dieses Verhältnis die aktive Mitgestaltung aller Beteiligten als gelebte partizipatorische Kultur (participatory culture) zum Ziel hat.

(D) Partizipative Kultur/produktion mit und von Jugendlichen
Ziel dieses Teilprojektes ist es, den Einsatz von Strategien kollaborativer Produktionsprozesse und künstlerischer Interventionen im Kreislauf der Kultur zu analysieren, die kulturelle Partizipation von und mit Jugendlichen und eine kulturelle Werteverschiebung in Richtung einer partizipativen Kultur ermöglichen.