Zeitschrift für Kulturmanagement
Zeitschrift für Kulturmanagement 2015 (2)
2016
202 Seiten
ISBN 978-3-8376-3161-6
E-ISSN 2363-5533
Verlag: transcript
Preis: 34,99 €
Inhalt
Research Article | Sprache/Language: Deutsch
2015
Money Talks
Über die Nichtneutralität von Geld in der Kulturfinanzierung
Thomas Heskia
Zeitschrift für Kulturmanagement 2015 (2) (2), 13–49.
doi http://dx.doi.org/10.14361/zkmm-2015-0203
Von der Kulturfinanzierung wird oft gefordert, dass sie sich nicht auf die künstlerischen Inhalte niederschlagen darf. Nur so könne die Freiheit der Kunst gewahrt bleiben. Tatsächlich wird von Förderern, Sponsoren und Mäzenen in der Regel behauptet, dass sie objektiv agierten und keinesfalls Einfluss auf künstlerische Inhalte ausübten. Eine solche Verleugnung greift jedoch zu kurz: Finanzierung ist multidirektionale Kommunikation und Geld selbst ein semantisches System. Es transportiert Bedeutung und beeinflusst dadurch stets das Ergebnis kultureller und künstlerischer Produktion. Im Rahmen eines gesellschaftlichen Dreisektorenmodells untersucht der vorliegende Artikel den über das Interaktionsmedium Geld vermittelten Transport von Bedeutungen aus Markt, Staat und Zivilgesellschaft in das gesellschaftliche Teilsystem Kunst.
As freedom of art should not be questioned, cultural financing is required to not interfere with artistic content. Thus, public funders, sponsors and donors claim objectivity, denying any influence. Unconsciously this is never the case: financing is multidirectional communication. Being its medium, money functions as a semantic system transporting meaning. Therefore, it always interacts with cultural and artistic production. Using a 3-sector model of society, this article investigates the transfer of meaning from the spheres of market, state and civil society into art, mediated through money.
Research Article | Sprache/Language: Deutsch
2015
Kulturpolitik in der Demokratie
Monika Mokre
Zeitschrift für Kulturmanagement 2015 (2) (2), 51–64.
doi http://dx.doi.org/10.14361/zkmm-2015-0204
Der Beitrag fragt, wie sich staatliche Kulturpolitik aus demokratiepolitischer Sicht legitimieren lässt. Diese Frage wird grundsätzlich anhand der bekannten Lincoln-Formel Regierung des Volkes, für das Volk und durch das Volk bearbeitet. Demokratische Gleichfreiheit ist nur auf der Grundlage von Solidarität der Bürger/-innen untereinander und mit dem Staat umsetzbar; Kunst und Kultur können zur Schaffung einer solchen Solidarität beitragen, etwa durch die Konstruktion einer nationalen Kultur. In zeitgenössischen Migrationsgesellschaften ist diese spezifische Leistung von Kunst und Kultur allerdings kritisch zu hinterfragen und neu zu definieren. Auch wird Kunst und Kultur eine Bildungsfunktion zugeschrieben, die auch im politischen Bereich wirksam werden kann und damit „Regierung durch das Volk“ ermöglicht. Schließlich schaffen Kunst und Kultur Räume, in denen unterschiedliche Konzipierungen des Gemeinwohls aufeinandertreffen können, also Vorstellungen dessen, was „Regierung für das Volk“ bedeutet.
Der zweite Teil des Artikels analysiert unterschiedliche Formen der Finanzierung von Kunst und Kultur aus demokratiepolitischer Sicht – Finanzierung durch die öffentliche Hand, Mäzenatentum und Sponsoring, Crowdfunding, Kultur- und Kreativwirtschaft – und konfrontiert auf diese Weise die demokratietheoretischen Überlegungen des ersten Teils mit kulturpolitischer Praxis.
The present article investigates the legitimacy of cultural politics from the perspective of democracy politics. This question is dealt with on the basis of the Lincoln formula, “government of the people, for the people, and by the people.” Democratic equal liberty can only be implemented on the basis of solidarity among citizens and of the citizens towards the state; culture and the arts can contribute to these forms of solidarity, e.g. by constructing national cultures. In contemporary migration societies, this specific achievement of culture and the arts has, however, become doubtful, and has to be re-defined. Furthermore, culture and the arts are said to contribute to civic education, thereby enabling “government by the people”. Finally, culture and the arts create spaces in which conceptions of the public good can be confronted with each other, i.e. different meanings of “government for the people”.
The second part of the article analyses different forms of financing culture and the arts out of the perspective of democracy politics – public financing, philanthropy, sponsoring, crowdfunding, and cultural and creative industries. In this way, the theoretical considerations of the first part are confronted with practices of cultural politics.
Research Article | Sprache/Language: Deutsch
2015
Die Thüringer Kommunen und die Bürde der Kultur
Tobias J. Knoblich
Zeitschrift für Kulturmanagement 2015 (2) (2), 65–84.
doi http://dx.doi.org/10.14361/zkmm-2015-0205
Der Kulturbereich ist ein sehr frei gestaltbares und für die Identität der Kommunen wichtiges Feld. Dennoch scheinen die Spielräume eng, regiert ein starker Haushaltsdruck. Der Beitrag zeigt die Ursachen dessen, diskutiert Reformstaus und Handlungsoptionen, die auch die Rolle der Länder und speziell die Thüringer Situation beleuchten. Er plädiert für ein System, bei dem alle Ebenen von Kulturpolitik besser ineinandergreifen, und setzt sich für konzeptbasiertes Arbeiten ein. Schließlich bietet er einige Thesen zum neuen Landeskulturkonzept Thüringens an.
The cultural sector is a field offering a high degree of individual conception and is thus crucial to a municipality’s identity. Its scope, nonetheless, appears increasingly narrowed by budgetary strains. This article identifies causes of this situation, debates reform logjams and presents courses of action that also illuminate the role of the ‘Länder’ (federal states) and especially the situation in Thuringia. It argues for a system to better interlock all levels of cultural policy, and advocates a more concept-based work approach. Ultimately, it offers some theses on the new Thuringian Cultural Concept.
Research Article | Sprache/Language: Deutsch
2015
Das ‚hohe Kulturgut deutscher Musik‘ und das ‚Entartete‘
Über die Problematik des Kulturorchester-Begriffs
Lutz Felbick
Zeitschrift für Kulturmanagement 2015 (2) (2), 85–115.
doi http://dx.doi.org/10.14361/zkmm-2015-0206
Für die Sicherstellung einer nachhaltigen Musikpflege werden in Deutschland Mittel durch die öffentlichen Haushalte bereitgestellt. Zur Stabilität des Musiklebens tragen weiterhin tarifliche Absicherungen für die Mitglieder von Sinfonieorchestern bei. In größeren Städten werden die kommunalen Mittel für Musikförderung vor allem für diese Klangkörper eingesetzt, die schwerpunktmäßig die großen Orchesterwerke des 19. Jahrhunderts aufführen. Die existenzielle Absicherung von anderen Kulturschaffenden, die sich z. B. der großen Bandbreite früherer Musikepochen oder der musikalischen Vielfalt des 20./21. Jahrhunderts inklusive des Jazz widmen, spielt in der Kulturpolitik eine untergeordnete Rolle. Ein wichtiger historischer Meilenstein für die Entwicklung dieses kulturpolitischen Profils ist in der Etablierung des deutschen ‚Kulturorchestersystems‘ zu suchen, welches seit 1938 kontinuierlich ausgebaut wurde.
In diesem Beitrag wird die Begriffsgeschichte des ‚Kulturorchesters‘ skizziert. Dieser Abgrenzungsbegriff wurde während der Amtszeit des Präsidenten der Reichsmusikkammer, Peter Raabe, zum rechtlichen Terminus erhoben. Der Ausdruck impliziert den damaligen Kulturbegriff, insbesondere die musikideologischen Anschauungen Raabes. Angesichts dieses historischen Befundes kommt die Studie zu dem Ergebnis, der Begriff des ‚Kulturorchesters‘ sei nicht mehr tragbar. Die Analyse führt zwangsläufig auch zu der Fragestellung, warum nach 1945 eine grundsätzliche Kurskorrektur in der Verteilung öffentlicher Mittel zugunsten der Förderung von musikalischer Vielfalt ausblieb.
In Germany there is a long tradition of public funding of musical culture. Further support is given by collective agreements for the members of symphony orchestras. In larger cities, municipal funds for music promotion are mainly used for those orchestras who emphasize the performance of major orchestral works of the 19th century. The existential security of other artists plays a minor role in the concept of cultural policy, for example, musicians who specialize in a wide range of earlier musical eras or are focused on the musical diversity of the 20th/21st century, including jazz. An important historical milestone for the development of the German cultural profile was the establishment of the ‘Kulturorchestersystem’, which has been continually expanded since 1938.
In this paper the history of the expression ‘Kulturorchester’ is outlined. The term implies the former concept of culture, especially the ideological beliefs of Peter Raabe, who was President of the Nazi institution ‘Reichsmusikkammer’. In Raabe’s tenure this term was raised to a legal concept. Given these historical findings, the study concludes that the use of the legal Nazi term ‘Kulturorchester’ is no longer acceptable. The analysis leads inevitably to the question of why after 1945 the policy has failed to enforce a fundamental course correction in the distribution of public funds for the development of musical diversity.